Heute, am 9. März 2022 sitze ich vor dem Fenster und schau auf Yaoundé und schreibe diese Zeilen. Zu fliegen ist schon die komfortabelste Art von Maroua nach Yaoundé zu kommen. Von Haustür zu Haustür dauert die Reise fünf Stunden. Früher bin ich diese Strecke unzählige Male mit dem Bus und Zug oder nur mit dem Bus gefahren. Dann dauert die Reise ungefähr 28 Stunden, wenn nichts dazwischenkommt – und es kommt halt häufig etwas dazwischen.

Es sind angenehme 32°C, es regnet ein wenig und ein leichter Wind weht durch das offene Fenster. Das Klima ist Balsam für meinen Körper und meine Seele. Gott sei Dank musste ich die extreme Hitze in Maroua nur ein paar Tage aushalten. Ich weiß nicht mehr, wie ich früher diese Temperaturen vier bis fünf Monate ertragen habe. Man wird halt älter ;-).

Der Reisebericht heute handelt von meinen Besuchen bei den Frauengruppen. Zurzeit betreuen wir fünf Frauengruppen sehr intensiv. Weiterhin beraten wir sechs Gruppen, die ihre Aktivitäten nach Abschluss der engen Zusammenarbeit autonom weiterführen, d.h. sie erhalten keine finanzielle Unterstützung mehr von Lumière-Cameroun.

Für alle, die unsere Strategie noch nicht kennen: Lumière-Cameroun begleitet Frauengruppen in den Dörfern auf ihrem Weg in eine bessere Zukunft. Wir nennen diesen Zweig „Appui aux femmes pour un développement durable - Unterstützung von Frauen für eine nachhaltige Entwicklung.“ Die Gruppen agieren selbständig, bestimmen selbst ihre Aktivitäten und die Ziele, die sie erreichen möchten. Wir sind ihre Partner und achten darauf, dass sie ihre selbst gesteckten Ziele erreichen. Eine Betreuerin begleitet die Gruppen sechs Jahre lang intensiv und sie erhalten finanzielle Unterstützung, die sie selbst verwalten. Unser Ziel ist es, dass sie nach den sechs Jahren der Partnerschaft in der Lage sind, ihre Aktivitäten autonom weiterzuführen. Wir haben dann wieder freie finanzielle Ressourcen und die Betreuerin kann eine neue Frauengruppe begleiten.

Während meines Aufenthaltes habe ich mit allen Frauengruppen gesprochen und die meisten von Ihnen auch besucht. Insgesamt fliege ich nach den vielen Gesprächen sehr ermutigt zurück nach Deutschland mit der Gewissheit, dass der eingeschlagene Weg der richtige ist.

Das heißt jetzt nicht, dass die Gruppen keine Probleme haben. Es gibt immer wieder Rückschläge und keine der Gruppen wurde davon verschont. Eine Gruppe hat viel Geld verloren, da Maden die gelagerte Hirse und Mais vollkommen zerstört haben. Eine andere Gruppe hat in einem Gemeinschaftsprojekt Zwiebeln angebaut, die sie verkaufen wollten; doch es war ein totaler Misserfolg. Eine ehemalige Lehrerin hat in einem anderen Dorf für erhebliche Unruhe gesorgt, indem sie Lügen verbreitet hat. Angeblich würde Lumière-Cameroun sehr viel Geld zur Verfügung stellen, das der Vorstand veruntreut. Doch die Betreuerin, die auch regelmäßig die Kasse prüft, hat dem widersprochen und festgestellt, dass alles mit rechten Dingen zugeht und nicht einmal 5 Franc – umgerechnet ca. 0,75 Eurocent – veruntreut wurde.

Doch all diese Probleme haben nicht dazu geführt, dass die Frauen aufgeben. ALLE sagen: „Ja, wir hatten Rückschläge, doch wir machen weiter mit dem was uns zur Verfügung steht.“ Das ist ermutigend. Das ist nachhaltig.

Den größten Entwicklungssprung haben die Frauen aus dem kleinen, abgelegenen Dorf Gassa gemacht. Zu Beginn unserer Zusammenarbeit hatte KEINE erwachsene Frau die Schule besucht. KEINE sprach französisch. Sie fühlten sich minderwertig. Heute unterrichten zwei von ihnen die Frauengruppe. Viele können ihre Waren auf dem Wochenmarkt auch an Kunden verkaufen, die nicht die Umgangssprache Fulfuldé sprechen. Die beiden Lehrerinnen werden vom Sousprefet (in etwa vergleichbar mit Landrat) eingeladen und sie vertreten die Interessen der Frauengruppe. Die Frauen haben eine „Cooperative“ – in etwas vergleichbar mit einer Genossenschaft – gegründet und möchte mit Unterstützung einer anderen Organisation ein Lager und eine Getreidemühle bauen. Den Eigenanteil haben sie schon fast angespart. Es fehlt nicht mehr viel und sie sind sicher, dass sie den Betrag zusammen bekommen. Die Frauen wurden früher im Dorf als „connait beaucoup - Streber“ gehänselt. Doch heute tragen sie diesen Titel mit Stolz, denn wörtlich übersetzt hat dieser Ausdruck die Bedeutung von „weiß viel“.

Alle in unserem Team, die Gassa kennen, loben Gott für das, was er in dem kleinen Dorf getan hat.

Das Betreuungsteam hat sich auch mehrmals getroffen und in intensiven Beratungen Ideen entwickelt, wie wir die Partnerschaft mit den Frauengruppen verbessern können, damit sie besser auf die Zeit nach der intensiven Zusammenarbeit vorbereitet sind. Nach und nach wollen wir einzelne Punkte umsetzen, immer auf dem Hintergrund, dass die Frauen ihren Weg in eine bessere Zukunft selbst bestimmen.

 

Das ist ein provisorisches Klassenzimmer der Grundschule in Yonkolé, das die
Eltern selbst für ihre Kinder gebaut haben. Die Frauengruppe nutzt diesen
„Hangar“ für ihren Unterricht am Nachmittag.

 

Yonkolé: Besprechung mit den Frauen.

 

Die Vorsitzende der Frauengruppe in Yonkolé präsentiert stolz die Unterlagen
der Eintragung als Cooperative, die sie erst vor ein paar Tagen erhalten haben.

 

In Djoundé ist die „Ecole de Maman – Mamaschule“ in einer Kirche am Fuße des
Berges untergebracht. Sanda ist dem Weg dorthin. Wir haben den Eindruck, dass
noch niemand auf uns wartet.

 

Doch zu unserer Überraschung – wir waren etwa 15 Minuten zu früh – waren
schon alle Frauen am Platz und haben ein Willkommenslied abgestimmt.

 

In Adia haben wir 2019 einen Brunnen gebohrt. Er liefert das ganze Jahr über
sauberes Wasser. Das „Brunnenzimmer“ wird von den Frauen in Ordnung
gehalten. Niemand betritt den Brunnen mit Schuhen. Eine Rinderherde wird
gerade an dieser Stelle vorbeigetrieben.

 

Auch diese Frauen waren pünktlich, als wir in Adia ankamen. Dieses Mal ist es
recht voll, da sich beide Gruppen in ihrem selbst gebauten „Hangar“ treffen. Er
wird am Ende des Schuljahres vor Beginn der Regenzeit ab- und im Januar vor
Unterrichtsbeginn wieder aufgebaut.

 

Die Frauengruppe in Kodek wird seit diesem Jahr von Lumière-Cameroun
betreut. Sie treffen sind in dem Klassenraum eines Kindergartens. Die Stühle
sind etwas niedrig. Ich habe es ausprobiert. Es geht – wenn auch nicht sehr
bequem. Auch diese Gruppe war pünktlich versammelt. Wer schon einmal in
Afrika war, weiß, dass Pünktlichkeit nicht gerade eine afrikanische Tugend ist.
Entsprechend überrascht war ich, dass es nun schon die dritte Gruppe war,
die fast vollzählig bei unserem Eintreffen anwesend war. Die Betreuerinnen
beteuerten mir, dass es auch sonst so ist, wenn sie unangemeldet die Gruppen
besuchen.

 

Nach den jeweiligen Besprechungen mit der gesamten Gruppe haben wir uns
auch mit den Vorständen zusammengesetzt, wie hier im Bild in Kodek. Hier
konnten wir uns noch intensiver über die Probleme austauschen, mit denen
die jeweilige Gruppe konfrontiert sind.