Aschaffenburg, 10. März 2024

"... als wäre ich vom Mond gefallen" Teil 2: Lumière-Cameroun

Am nächsten Tag ging es morgens los zur Missions- und Krankenstation. Beides von Klaus um- bzw. neugeplant. Hanna, die ehemalige Leiterin des medizinischen Werkes des Evangelischen Kirchenbundes, begrüßte uns herzlich und stellte uns die derzeitigen Leitenden der Einrichtungen, alles Kameruner:innen, vor. Wir besichtigten die Verwaltungsräume und die Räume der Krankenstation mit den vielen Menschen. Sie warten auf ihre Behandlung, die hier durch Krankenpfleger durchgeführt wird. Regelmäßig werden "Auszubildende" aufgenommen und zu Krankenpflegern ausgebildet. Ausgebildete Ärzte gibt es in den großen staatlichen Krankenhäusern, aber nicht auf dieser Krankenstation. Weiter gibt es eine Apotheke und eine Geburtshilfestation. Die Patienten bezahlen hier für die Behandlung und die Medikamente. Es wird aber auch keiner abgewiesen, der wirklich kein Geld hat und krank ist. Die Räume sind einfach und funktional gestaltet durch die Zusammenarbeit des Architekten mit den Mitarbeitenden der Station und den örtlichen Handwerkern. Da hat Firlefanz keinen Platz.

Viele Menschen warten vor der Krankenstation.

Nachmittags fuhren wir dann "in den Busch". Das Frauenprojekt "Bäume statt Wüste" hat ein Stück geschenktes Land in eine fruchtbare Ackerfläche umgewandelt. Die dort vorhandenen Baumstümpfe werden mit Hilfe einer speziellen Schnittmethode wieder zu Bäumen umgeformt, neue Bäume gepflanzt, sowohl auf dem Feld als auch an ihren Hütten. Die Bäume wachsen innerhalb eines Jahres und tragen Früchte zum Eigenverzehr und Verkauf.

Überhaupt, die Gegend sieht sehr trocken und staubig aus. Das Wasser ist aber da, es muss nur aus dem Boden  geholt werden, entweder mit Hilfe von Bäumen oder mit Hilfe von Brunnen. Diese Frauen haben auf ihrem Feld einen Brunnen bekommen, der mit Solarstrom das Wasser aus dem Boden pumpt, und ein Lager, in dem sie ihre Ernte lagern können, um sie dann später zu einem höheren Preis zu verkaufen. Auf einem Teil des Feldes haben sie Zwiebeln angebaut. Diese Fläche ist in ca. 1,5 m x 1,5 m große Quadrate mit kleinen Erdwällen unterteilt, damit das Wasser nicht wegfließt.

Regelmäßig wird gewässert und Unkraut gezupft. Alles mit der Hand, in sengender Sonne. Aber der Erfolg lässt sich sehen und messen. Und mit allem, was die Frauen verdienen, können sie ihre Familien unterstützt und weitere Investitionen tätigen.

Das Zwiebelfeld wird gewässert

Unkraut jäten

Beate hilft mit

Auf dem Rückweg besuchten wir noch eine andere Frauengruppe, die von Lumière-Cameroun unterstützt wird. Wir wurden in den Räumen der Schule herzlich empfangen, in denen die Alphabetisierungskurse für die Frauen stattfinden. Alle Menschen freuten sich sehr, die Mitarbeitenden von Lumière-Cameroun und den Besuch aus dem fernen Deutschland zu sehen. Sie dankten herzlich für alle Unterstützung. Die Frauen können in der Tat stolz sein über das, was sie bisher geleistet haben und weiterhin leisten. Sie lernen in ihrer Amtssprache Französisch lesen und schreiben, dazu noch rechnen, und engagieren sich in einem Projekt, um ihr Leben zu verbessern, neben der alltäglichen Arbeit für die Familie. Wir dagegen sollten, wirklich kleinlaut, mal darüber nachdenken, wie gut es uns eigentlich geht.

Später zeigten uns die Frauen, wie man Erdnussöl gewinnt und Bakuru aus Erdnusspaste macht. Zum Abschluss gab es zwei Beutel Bakuru (frittierte Erdnusspaste) für uns zum Essen und zwei lebende Hühner.

Bakuru ist fritierte Erdnusspaste ...

... ein leckerer Snack! Oder?

Die Hühner mussten dann mit uns zu Sanda nach Hause auf dessen Hühnerhof, er hatte uns nämlich zum Abendessen eingeladen, seine Frau Rebekka hatte für uns gekocht. Sanda hat einen schönen Hof in tipi-topi Zustand. Rund um den Hof herum ein großer Zaun, im Hof einige Gebäude, alle einstöckig, für jedes Familienmitglied (auch für die Oma) eines und eine Küche. Gegessen wird im Hof, die Hühner springen überall herum und picken alles auf, was herunterfällt. Schlangen mögen das nicht und bleiben deshalb den Höfen fern. Im Hofinneren noch ein umzäunter Garten mit Obstbäumen, damit sich die Tiere dort nicht bedienen.

Zunächst konnten wir uns die Hände waschen mit Hilfe eines Plastikkessels, dann gab es Fufu, das ist ein dicker Kloß aus Hirse- und Reismehl, mit einer grünen Gemüsesoße, ähnlich wie Spinat, mit Rindfleischstücken. Zum Nachtisch, Tee und Mango aus dem eigenen Garten und Wassermelone. Sehr schmackhaft!

Mittagsessen in Sanda Hof

Lecker!

Nach einem solchen Tag ist man echt fertig und froh, in seiner Hütte schlafen zu können.

Und die Hühner? Also Sandas Hühner wollten die anderen nicht bei sich haben, sie haben die Neuen böse angeguckt, der Hahn besonders. Er musste verscheucht werden. Als dann das eine Huhn das andere Huhn so in den Nacken gehackt hat, dass es sich nicht mehr bewegt hat und wir dachten, es sei tot, hat Sanda seinem Sohn ohne Worte bedeutet, er solle sich kümmern. Der nahm die Hühner und ging um das Hauseck. Als wir dann aufbrachen, sah ich sie ohne Kopf daliegen und Rebekka war schon dabei, sie zu rupfen. Am nächsten Tag gab es dann für uns Huhn zum Mittagessen.

Tags darauf ging es in die Räumlichkeiten von Lumière-Cameroun. Ein vom Verein gekauftes Grundstück bebaut mit einem Haus, das im vorderen, unteren Teil Läden hat (Mieteinnahmen!) und im hinteren, unteren Teil die Klassenräume für den Unterricht im Lesen, Schreiben, Rechnen und die Schneiderwerkstatt.  Im oberen Stockwerk sind die Büroräume untergebracht. Schön luftig, mit Fenstern beidseitig und einem umlaufenden Balkon, damit die Hitze draußen bleibt. Nebenan steht noch ein kleineres Gebäude, das die Küche beherbergt. Neben der Küche ein Garten mit Gemüse und Bäumen.  Im Hof Bäume und Büsche zur Beschattung.

Das Centre Lumière-Cameroun von oben

Hier konnten wir die übrigen Mitarbeitenden kennenlernen: drei Ausbilderinnen, eine Lehrerin für die Alphabetisierungsklassen und den Sekretär.

Wir konnten den Auszubildenden zusehen, wie sie von einer externen Ausbilderin beigebracht bekamen, wie man aus Stoff eine Blume zur Dekoration von Kissen oder Gardinen herstellt. Diese Kenntnisse, Kleidung und dekorative Dinge herzustellen, sind hier sehr wichtig. Es gibt wenig zu kaufen, und wenn die Frauen schöne Dinge herstellen können, können sie Geld damit verdienen.

Hansjörg hat mit all den Menschen, die wir trafen, Interviews geführt. Ayouba hat gefilmt und wird aus diesem Material sicher einen bzw. zwei interessante Filme herstellen. In dieser Zeit haben wir aus dem Fenster geschaut und geplaudert. Die Kreuzung unter uns - ein einziges Wimmelbild, wie im Fernsehen.

Blick vom Obergeschoss des Centre auf den kleinen Quartiersmarkt 

Am nächsten Tag ging es in ein weiter entferntes Dorf. Dort hat Lumière-Cameroun einen Brunnen gebaut und wird mit den Alphabetisierungskursen anfangen. Lehrer werden vor Ort gesucht und von Mediatoren begleitet, die die Dörfer aufsuchen. Überhaupt wird die Aus- und Fortbildung der Lehrerinnen großgeschrieben! Es gibt extra entwickelte Unterrichtsbücher für die Frauen. Hier lernen sie die Worte und die Rechenarten, die ihrer Lebenswelt entsprechen. Wenn sie die Schule absolviert und ihre Prüfungen geschafft haben, gibt es Zertifikate und ein großes Fest.

Auch in diesem Dorf gab es eine herzliche Begrüßung, das ganze Dorf war da, auch die Männer, und selbstverständlich viele, viele Kinder. Wir saßen im „Schulhaus“, das man aus Baumstämmen, Ästen und Strohmatten extra neu errichtet hatte.  Im nächsten Jahr wird man ein neues bauen müssen, weil die Termiten es vermutlich aufgefressen haben, leider.

Das Klassenzimmer der "Mamaschule"

Dort wartete eine besondere Überraschung auf uns. Der Dorfchef persönlich war da, hörte sich die Dankesreden an und - surprise, surprise - schenkte den Frauen das Grundstück, auf dem das Gebäude steht. Es gab eine Urkunde, alle waren sehr gerührt über diese Geste. Da hat ein älterer Dorfchef verstanden, dass Wissen der Schlüssel zu einem besseren Leben ist. So etwas ist nicht selbstverständlich. Es gibt auch in Kamerun Männer, die den Frauen den Schulbesuch nicht erlauben!

Der Pastor des Dorfes hat den Frauen dann noch Unterrichtsmaterial geschenkt. Das bedeutet ein bisschen Hoffnung und Zuversicht für die Bewohner des Dorfes, das darf man nicht geringschätzen. Wir in unserem Überfluss können uns das vielleicht gar nicht vorstellen.

Ayouba hat dort noch Zuckerrohr für seine Familie gekauft. Und dann gab es als Geschenk noch für uns ... zwei Hühner und am nächsten Tag zum Mittagessen Hühnchen. Kann ich den Menschen erklären, dass und warum ich (wir) kein Fleisch essen? Das ist für sie völlig außerhalb jeder Vorstellungskraft. Sie selber essen wenig Fleisch, weil sie arm sind, wollen aber den Gästen aus dem fernen Deutschland danken und ihre Gastfreundschaft zeigen. Etwas anderes, wertvolleres gibt es für sie nicht.

Nächster Tag wieder in den Räumen von Lumière-Cameroun. Heute wird von den Schülerinnen gekocht für alle ca. 35 anwesenden Personen (die Schülerinnen haben auch ihre Kinder dabei!) und wir schauen zu, wie das geht: Reis, Kochbananen, Maniok, Gemüse, 2 Fische, Schwarte, 2 Hühner. Fische und Schwarte werden in dem Gemüse gekocht.

Die Kochstellen sind aus Ton und stehen auf dem Boden, unten sind lange Holzstücke, die werden nachgeschoben, oder für kleine Flamme, ein wenig herausgezogen. Das Essen war dann wieder sehr schmackhaft! Die Schülerinnen bekommen hier neue Kochrezepte vermittelt. Sie haben kein Internet und keinen Strom und keine Bücher. Mit diesen Rezepten sind sie beim nächsten Dorffest gefragte Köchinnen und können so Geld verdienen.

Ein traditioneller Herd mit speziellen Feuerstellen aus Ton, die weniger Holz verbrauchen

Hansjörg führte seine Interviews. Und wir guckten hier und hörten da und guckten aus dem Fenster auf unser Wimmelbild. Auf einmal gab es laute Stimmen auf der anderen Seite der Straße. Es bildete sich ein Auflauf aus immer mehr Menschen. Plötzlich wurde geschubst und geschlagen, die Menge wurde immer größer, manche redeten und gestikulierten wild. Frauen kamen angerannt und redeten durcheinander. Auf einmal liefen alle auseinander, und alles gut? Weiß ich nicht!

Eine der örtlichen Mitarbeiterinnen ist auf die Straße gegangen und hat nachgefragt, was da los war: Jemand hat ein Handy gestohlen und wurde dabei erwischt. Die Umstehenden haben sich aufgeregt und ihn bestraft. Polizei gibt es zwar, aber die kommt nicht oder wird nicht gerufen. Das regelt man selbst, wie auch immer. Wir wissen also nicht, wie die Auseinandersetzung tatsächlich geendet hat. Da fragt auch keiner. Das fand ich sehr schlimm.

Später, zurück an unserer Lodge, sind wir dann die Straße entlang in die andere Richtung gegangen. Wir fanden die Haupteinkaufsstraße von Maroua, also die dortige Zeil. Verkehr ohne Ende, riesige Lastwagen und alles, was sonst noch fährt. Die Straße ist 4-spurig angelegt, davon 2 Spuren gesperrt wegen Bauarbeiten auf einer ziemlichen Länge. Fußweg meistens nicht vorhanden oder auch zugeparkt. Da gab es an oder neben der Straße verschiedene "Geschäfte", in denen man alles Mögliche kaufen konnte. Möbel, Obst und Gemüse, Kleider, Plastikwannen. Das war schon ziemlich bunt.  Die Seitenstraßen sahen leider nicht so vertrauenserweckend aus, da sind wir nicht hingegangen. Wir haben uns auch nicht so recht getraut, etwas zu erwerben. Es gab auch Cafés und Bars, aber wir waren in der Lodge bestens versorgt.

Die Straße hatte Löcher am Rand, groß und tief wie ein ausgehobenes Grab. Da muss man echt aufpassen im Dunkeln, ganz ohne Straßenbeleuchtung. Plötzlich flatterte es in diesen Löchern. Das waren Fledermäuse, in den Abwasserkanälen im Boden. Das hatten wir bis dahin auch noch nicht gesehen, na sowas!

Gewimmel auf der Straße

Zurück in der Lodge waren wir müde und froh, ein gutes Essen zu bekommen und ruhig in unseren Betten schlafen zu können.


Hier der Link zum ersten Teil ...

... und hier zum dritten Teil von Astrids Reisebericht.

Fotos: Dr. Hansjörg Schemann, Ayouba Alex Sinkoum